Direkt zu den Inhalten springen

Rückschritte in alte Rollenmuster

Die Pandemie verstärkt soziale Ungleichheiten. Arme und benachteiligte Menschen spüren die Folgen am schwersten. Familien, vor allem einkommensschwächere, geraten an ihre Belastungsgrenzen. So spaltet das Coronavirus die Gesellschaft tiefer. Auch für die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, eines der sozialpolitischen Kernthemen des SoVD, bringt die Krise wenig Gutes. Rückschritte für das bislang Erreichte drohen. Das bestätigen inzwischen mehrere Studien.

Kind spielt am Tisch, Frau arbeitet am Tisch am Laptop
Angesichts geschlossener Schulen und Kitas sind es laut Studien überwiegend Frauen, die ihre Arbeitszeiten reduzieren. Foto: Anke Thomass / Adobe Stock

Zuletzt warnte neben dem SoVD auch der Deutsche Gewerkschaftsbund vor den negativen Auswirkungen der Corona-Krise für die Gleichstellung von Männern und Frauen. 
Oft blieben demnach vor allem die Mütter zu Hause und kümmerten sich um die Kinderbetreuung, hieß es mit Blick auf die weiterhin geschlossenen Kitas und Schulen. Frauen reduzierten häufiger ihre Arbeitszeit; auch der Anteil an der Sorgearbeit nehme überproportional zu. Tradierte Rollenbilder drohten sich somit wieder zu verfestigen, so der DGB.

Langfristig negative Folgen für weibliche Erwerbsverläufe 

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Sommer letzten Jahres sind es insbesondere Familien mit geringem Einkommen, die von dieser Entwicklung betroffen sind. Denn sie können es sich in der Regel nicht leisten, auf das oftmals immer noch höhere Gehalt des Mannes zu verzichten. Die Forscher*innen warnen deshalb vor den langfristigen Folgen für die Erwerbsverläufe von Frauen. Gerade weil die ökonomischen Folgen der Krise aller Voraussicht nach noch länger spürbar sein würden, sei für viele Frauen eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit perspektivisch kaum möglich. Die Folge: Die in den letzten Jahren schmaler gewordene Lohnlücke zwischen den Geschlechtern vergrößere sich durch die Corona-Krise wieder. Für die Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung wurden 7.677 Erwerbstätige interviewt.

Über 100 Jahre Kampf gegen Ungleichbehandlung

Schieflagen gab es in Sachen Gleichstellung auch vor der Pandemie. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen häufig immer noch die Hauptlast bei der Kindererziehung und Pflege tragen. 
Nach wie vor werden frauendominierte Berufe schlechter bezahlt. Frauen hatten auch vor der Pandemie immer noch geringere Karrierechancen und am Ende ihres Lebens eine kleinere Rente als Männer – Ungleichbehandlungen, auf die der SoVD immer wieder hingewiesen hat und die der Grund dafür sind, dass sich die Frauen im Verband seit über 100 Jahren organisieren. 
Das Ziel, endlich eine vollständige Gleichstellung zu erreichen, rückt mit der Pandemie wieder ein Stück weiter in die Ferne. Denn gerade weil Frauen häufig in systemrelevanten und zugleich weniger gut bezahlten Berufen arbeiten, sind sie jetzt stärker von Einkommens-einbußen durch Freistellung, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen. Und die langjährige Forderung nach einer bedarfsgerechten und qualitativen Kinderbetreuung – wesentliche Voraussetzung für das Teilen von Sorgearbeit und Erziehung – wird für die von monatelangen Schul- und Kitaschließungen betroffenen Eltern und für alleinerziehende Elternteile derzeit  schon fast zynisch anmuten. 

Einsatz nicht allein am Internationalen Frauentag

Auch die Umwandelung sogenannter Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die aus Sicht des SoVD längst auf eine gesetzliche Grundlage gestellt sein sollte, dürfte pandemiebedingt erheblich erschwert sein: Viele der ehemals geringfügig Beschäftigten haben nämlich inzwischen ihren Job ganz verloren.
Noch im Sommer war eine von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebene, weitere Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass immer noch viele Frauen in der Minijobfalle gefangen sind. Demnach übten im September 2020 in Deutschland mehr als sechs Millionen Erwerbstätige einen Job aus, in dem sie monatlich weniger als 450 Euro verdienten. Der derzeitigen Rechtslage entsprechend leisteten sie keine Beiträge zur Sozialversicherung. 
Nach Berechnungen des ifo-Instituts, das die Erhebung durchführte, lohnt es sich für Minijobber*innen oft nicht, mehr zu arbeiten, auch wenn sie dies gerne täten. Überwiegend stünden dann nämlich die Nettomehreinnahmen nicht im Verhältnis zur zusätzlichen Arbeitszeit. Wer doppelt so viel arbeite wie in einem Minijob, habe am Ende des Monats oft nicht einmal 100 Euro zusätzlich übrig, und dies bei gleichem Stundenlohn. 
Laut Studie ist die strukturelle Benachteiligung durch das bestehende Steuer- und Sozialversicherungssystem häufig ein Grund dafür, dass Frauen immer noch weniger arbeiteten als Männer. Vor allem die Kombination des steuer- und abgabenfreien Minijobs mit dem Ehegattensplitting konfrontiere  die Zweitverdiener*innen weiter mit Fehlanreizen, so das Fazit der Bertelsmannstudie – und ein Missstand, den der SoVD seit Jahren kritisiert. 

Einsatz für die Rechte von Frauen intensivieren

Angesichts der Ungleichheiten, die sich krisenbedingtverstärken, wird der SoVD seinen Einsatz für die Rechte  von Frauen intensivieren. Dies gilt nicht nur für den Internationalen Frauentag am 8. März und den Equal Pay Day, der 2021 am 1. März begangen wird.  

Gleichberechtigung ist ein Menschenrecht

„Wir haben in den zurückligenden Jahrzehnten schon viel erkämpft – doch der Weg zur vollständigen Gleichberechtigung ist durch die Pandemie ein Stück länger geworden“, stellt SoVD-Bundesfrauensprecherin Jutta König fest. Dabei könne nicht oft genug betont werden: „Wir kämpfen nicht um ‚Sonderrechte‘ für Frauen, sondern um das ‚Menschenrecht‘ der Gleichberechtigung unter den Geschlechtern!“