Seit Jahren müssen die gesetzlichen Krankenkassen mehr Geld ausgeben, als sie haben. Erneut drohen den Versicherten steigende Beiträge. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will das zwar verhindern, kurzfristige Lösungen aber bleibt sie bisher schuldig. Ärgerlich findet das die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Sie forderte den Bund auf, versicherungsfremde Leistungen endlich aus Steuermitteln zu bezahlen.
Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres stiegen die Kosten für Behandlungen im Krankenhaus um fast zehn Prozent. Etwas weniger stark gilt das auch für Praxen und Arzneimittel. Schnelle Hilfe versprach sich die zuständige Ministerin durch Extra-Geld aus dem Bundeshaushalt. Doch mit ihren Forderungen fand Nina Warken bei den Verhandlungen kein Gehör. Stattdessen setzt sie jetzt auf mehr Effizienz und auf die Vorschläge einer von ihr eingesetzen Kommission. Deren Ideen aber dürften allenfalls langfristig Wirkung zeigen.
Wenn du nicht weiterweißt,gründe einen Arbeitskreis
Das aus Expert*innen zusammengesetzte Gremium soll bereits Ende März kommenden Jahres einen Bericht mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen vorlegen. Ein zweiter Bericht soll dann Ende 2026 mögliche Strukturreformen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzeigen. Fürs Erste verschafft das der Gesundheitsministerin wohl vor allem Zeit. Denn Fragen nach konkreten Reformansätzen beantwortet Warken seither mit dem Hinweis, man wolle erst die Vorschläge jener Kommission abwarten.
Empfehlung zur Höhe desZusatzbeitrages im Oktober
Für die Versicherten könnte es derweil knapp werden. Denn bereits in wenigen Wochen tritt der sogenannte Schätzerkreis zusammen und nimmt die Finanzsituation der GKV unter die Lupe. Die Ergebnisse bilden dann die Grundlage für die Berechnung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes im Folgejahr. Dessen Höhe wiederum gibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dann zum 1. November bekannt. Wie hoch der Obolus aber tatsächlich ausfällt, legt jede Kasse nach Bedarf fest.
Zuletzt stiegen die Zusatzbeiträge Anfang dieses Jahres im Schnitt auf 2,9 Prozent. Zum Gesamtbeitrag, den sich Arbeitnehmende und -gebende teilen, gehört ebenfalls der allgemeine Satz von einheitlich 14,6 Prozent des Bruttolohnes.
SoVD: Versichertengeldersanieren Bundeshaushalt
Vor dem Hintergrund eines vermutlich weiter steigenden Zusatzbeitrages ist es aus Sicht des SoVD umso empörender, dass die Bundesregierung sich weiterhin aus der Verantwortung stiehlt. Darauf wies noch einmal die Vorstandsvorsitzende des Verbandes hin. Seit der Einführung von Hartz IV, so Michaela Engelmeier, zahle der Bund deutlich zu niedrige Beiträge für die Gesundheitsversorgung der Empfänger*innen von Bürgergeld. Seit zwanzig Jahren entlaste sich auf diese Weise der Staat und gebe die Kosten an die Krankenkassen weiter. Leidtragende seien die etwa 75 Millionen gesetzlich Versicherten und deren Arbeitgebende.
Entlastung von Versichertenwäre schon jetzt möglich
Engelmeier wies darauf hin, dass dieser Fehlbetrag jährlich bei rund zehn Milliarden Euro liege. Sie forderte die Bundesregierung auf, diese versicherungsfremden Leistungen anzupacken, statt über Leistungskürzungen zu diskutieren. Käme der Bund seiner Verpflichtung an diesem Punkt nach, würde das die gesetzlich Versicherten um einen halben Beitragssatzpunkt entlasten.
Für einen Systemwechselhin zur Bürgerversicherung
Es ist widersprüchlich, wenn Ministerin Warken zwar auf die Arbeit von Kommissionen verweist, aber gleichzeitig deren Ergebnissen vorgreift. Das System der privaten Krankenversicherung etwa, so die CDU-Politikerin, solle in jedem Fall Bestand haben.
Für den SoVD ist dieses Bekenntnis nicht nachvollziehbar: Während man gesetzlich Versicherten Einschränkungen zumutet, bleibt die künstliche Trennung zweier Systeme unangetastet. Der Verband bleibt bei seiner Forderung nach einer solidarischen Bürgerversicherung. Weitere Forderungen des SoVD betreffen die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehung weiterer Einkommensarten. Auf diese Weise ließen sich Einnahmen wirksam stabilisieren – ohne dass man auf Unterstützung angewiesenen Menschen eine mangelnde Eigenverantwortung unterstellen muss.